Samstag, September 27, 2008

Warum bekommen Reiche Steuergeschenke?

Um diese Frage zu beantworten, mag folgende Analogie dienen: Man stelle sich einen Reichen vor, der an einem Tisch vor einem vollen Teller sitzt und mit einem grossen Löffel voller Gier in sein grosses, nimmersattes Maul hineinschaufelt, was immer nur hineingeht. Und während er schaufelt und schaufelt, fällt ihm ab und zu etwas aus dem Mund, oder vom Löffel, oder vom Teller, und fällt auf den Boden, wo der Mittelstand zu seinen Füssen sitzt und isst, was auf diese Weise herunterrieselt.

Aus verschiedenen Gründen (unter anderem auch, gerade weil man den Reichen Steuergeschenke macht und der Mittelstand daher einen grösseren Anteil an der Steuerlast zu tragen hat), leidet und darbt und hungert der Mittelstand zu Füssen des Reichen. Um dem Mittelstand zu helfen, sind gescheite Leute auf folgende Idee gekommen: Man könnte doch dem Reichen noch mehr zu essen auf seinen schon übervollen Teller beigen! Denn dann, so räsonnieren sie, könnte der Reiche noch gieriger das Essen in sich hineinschaufeln, und weil er dann mehr als vorher in sich hineinstopft, fällt ihm dann natürlich auch mehr aus seinem Mund! Oder vom Löffel! Oder vom Teller! Und so landet dann auch mehr auf dem Boden, und der Mittelstand hat dadurch auch mehr zu essen! Wenn man den Reichen gibt, geht es daher allen besser!

Obwohl diese Idee offenbar vielen Leuten einleuchtet und sie dazu bringt, entsprechende Parteien zu wählen, möchte ich hier zwei kleine Einwände anbringen: Erstens scheint sie nicht zu funktionieren. Es hat sich gezeigt, dass unter dieser angebotsorientierten Wirtschaftspolitik (sogenannte "supply-side" oder eben "trickle-down" economics) der Mittelstand sowohl relativ (d.h. anteilsmässig am Gesamteinkommen) als auch absolut (d.h. in Franken und Rappen) gegenüber den Reichen stagniert oder sogar verliert. Mit andern Worten, Reiche werden zwar reicher, je mehr man ihnen gibt, aber der Mittelstand gewinnt dabei nichts oder verliert sogar. Zweitens, wenn es wirklich darum ginge, den Mittelstand zu fördern, warum stellt man dann nicht einfach für den Mittelstand weitere Teller auf den Tisch, statt alles dem Reichen auf den Teller zu beigen und zu hoffen, dass dann vielleicht genug davon auf den Boden rieselt?

Montag, September 22, 2008

Weshalb wird der Strommarkt liberalisiert?

In allen nationalen Wirtschaftsräumen gibt es grosse Bereiche mit beträchtlichen Geldströmen, von denen das auf Verwertung bedachte Kapital ausgeschlossen ist. Es handelt sich dabei um die öffentlichen Dienste wie Versorger (Wasser, Strom), das Verkehrswesen (Post, Bahnen, Strassen), das Schulwesen usw., die zum Teil als natürliche Monopole keinen Wettbewerb ermöglichen, z.B. weil die Infrastrukturkosten im Vergleich zum gehandelten Gut zu hoch sind. Ein echter Strom-"Markt" würde es nämlich nötig machen, dass alle Anbieter ihre eigenen Netzwerke vom Kraftwerk bis hin zur Steckdose aufbauen.

Bei all diesen Diensten fallen Gebühren an, die von den Konsumenten an die (meist staatlichen) Betreiber bezahlt werden. Für die herrschenden Klassen und jene, die ihnen aus irgendwelchen Gründen zudienen, ist es aber unerträglich, dass von all diesen Gebühren nichts in den Taschen der Reichen landet. Daher lobbyieren sie auf internationaler (WTO, GATS) wie auf nationaler Ebene für die Liberalisierung und Privatisierung dieser Dienste, um sie der wirtschaftlichen Verwertung durch das Kapital zuzuführen.

Obwohl behauptet wird, dass privatisierte Dienste effizienter operieren, steigen die Tarife meistens, wenn öffentliche Dienste dereguliert, liberalisiert und privatisiert werden, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Zusatzkosten
    Liberalisierte Dienste und Versorger müssen teure Kosten verrechnen, die bei einem Staatsbetrieb nicht anfallen. Es sind dies Kosten für Werbung, Dividenden für Aktionäre, Exekutivgehälter (2 Mio plus Bonus), sowie Administrativkosten. Diese erheblichen Zusatzkosten werden natürlich nicht von der FDP oder der SVP übernommen, die die Liberalisierung trotz Volks-Nein durchgestiert haben, sondern müssen von den Kunden mit den Stromgebühren bezahlt werden.
  • Markt- statt Kostenpreise
    Oeffentliche Dienste können ihre Diensleistungen und Produkte (Wasser, Strom, ...) zu Kostenpreisen anbieten, da sie keinen Profit erwirtschaften müssen. Im liberalisierten Markt müssen die Stromkunden in der Schweiz denselben meist höheren Marktpreis bezahlen, den die privatisierten Dienste im Ausland erzielen würden.
  • Spekulation
    Wenn Strom zu einer Handelsware verkommt, ist es lukrativer, mit Strom zu handeln statt ihn zu produzieren (vgl. Enron in den USA). Durch künstlich herbeigeführte Verknappungen lässt sich der Preis pro kW/h in profitabel die Höhe treiben. Dies geschah in Kalifornien, USA, als der Strommarkt liberalisiert wurde. Stromausfälle (blackouts) und explodierende Strompreise waren die Folge.

Die liberalisierten Stromversorger haben denn bereits zugegeben, dass sich die Stromtarife in den nächsten 5 Jahren verdoppeln werden (Tages Anzeiger). Für die Kunden ergeben sich durch die Liberalisierung keine Vorteile, sondern lediglich höhere Kosten und die Gewissheit, dass die Reichen noch reicher werden, während der Mittelstand weiter ausgepresst wird.

Wenn die Sicherheit unserer Stromversorgung nicht den Ospels und Lehman Brothers dieser Welt überlassen werden soll, muss jetzt gehandelt werden. Die Liberalisierung des Strommarktes ist rückgängig zu machen, und weitere Liberalisierungen (Post, Wasser, Schulwesen usw.) müssen für alle Zeit gestoppt werden.