Montag, Oktober 27, 2008

Dummheit in Vier Worten

Ich war gerade dabei, eine Grabesrede zum totalen Bankrott der neo-liberalen Ideologie zu schreiben, als ich auf den Beitrag The End of Libertarianism - The financial collapse proves that its ideology makes no sense - von Jacob Weisberg in Slate gestossen bin. Er beginnt den Artikel mit den Worten:

A source of mild entertainment amid the financial carnage has been watching libertarians scurrying to explain how the global financial crisis is the result of too much government intervention rather than too little.

Dasselbe dachte ich, als ich den Club vom 21. Oktober 2008 auf SF1 gesehen habe. Es war geradezu peinlich, wie Gerold Bührer, Präsident von Eggonomiesuisse und Thomas Held, Direktor von Avönir Suisse, versuchten, die Finanzkrise schön zu reden und die Zuschauer davon zu überzeugen, dass ihre Ideologie von Liberalisierung und Deregulierung keinen Anteil an der Finanzkrise hatte.

Utopians of the right, libertarians are (...) convinced that their ideas have yet to be tried, and that they would work beautifully if we could only just have a do-over of human history. Like all true ideologues, they find a way to interpret mounting evidence of error as proof that they were right all along.

Amüsant aber irgendwie kaum überraschend war daher, dass im Lärm, der den Kollaps des internationalen Finanzsystems im Zuge der Finanzkrise begleitete, eine Stimme verdächtig still war: diejenige der Freisinnigen Partei der Schweiz. Wer die Webseite der Partei besucht, findet in den Medienmitteilungen als ersten und bisher einizgen Beitrag seit die Krise die Welt und nun auch die Schweiz erschüttert hat, eine Mitteilung vom 16. Oktober.

Eine Partei, deren Programm ausschliesslich aus Marktwirtschaft, Deregulierung und Liberalisierung besteht, darf nun dieselbe bittere Medizin schlucken, die sie voller Häme jenen verabreicht hatte, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht bedingungslos vor der neo-liberalen Logik des selbst-regulierenden "freien Märchts" kapitulierten. Vor diesem Hintergrund wirkt es daher eher armselig als bloss dumm, wenn ein freisinniger Parlamentarier nach den ersten Anzeichen der Finanzkrise in die laufende Kamera sagt, das falscheste, was man jetzt tun könne, seien neue Regulierungen einzuführen.

Und die freisinnige Parole "mehr Freiheit - weniger Staat" dürfte nach den Abermilliarden von Franken, die der Staat als Rettungsring der sinkenden UBS nachwerfen musste, wohl als die peinlichste Dummheit in nur Vier Worten in einhundertsechzig Jahren moderner Schweizer Politik gelten und damit den Todesstoss der schon immer eher un- statt freisinnigen Ideologie bedeuten.

Montag, Oktober 20, 2008

Der Meinungs-Flash: Top Saläre für Top-Manager

Die Argumentation geht folgendermassen: Wer gerade jetzt in der Finanzkrise Top-Leute in der Führungsspitze der Unternehmen haben will, muss bereit sein, dafür Top-Saläre zu zahlen. Daher ist eine Beschränkung der Saläre und Boni für Top-Manager ein Fehler (etwa in folgendem Beitrag der Tagesschau auf SF1 vom 20. Oktober 2008, 1 min 57 sek nach Beginn).

Gut. Darf ich die warnenden Wirtschaftsleute, die diese Meinung vorbringen, in aller Höflichkeit daran erinnern, dass die sogenannten Top-Manager mit ihren Top-Salären exakt dieselben Idioten sind, die die Finanzkrise überhaupt erst verursacht haben? Wenn das wirklich die Besten der Besten sind, möchte ich gar nicht erst wissen, wie die zweite Garde aussieht.

Samstag, Oktober 04, 2008

Leichte Schläge auf den Hinterkopf...

...erhöhen die Denkfähigkeit. Dies pflegte einer meiner ehemaligen Kollegen an der ETH zu sagen, wenn jemand sich durch eine besonders "lange Leitung" hervorgetan hat. Vielleicht würde dieselbe Therapie dem Luzerner FDP-Nationalrat Georges Theiler auf die Sprünge helfen, wenn er im Hinblick auf die explodierenden Stromtarife im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes folgendes Konundrum kontempliert (Arena vom 3. Oktober 2008, SF1, 18 min 15 sek nach Beginn):

Ist doch eigenartig, Herr Schweickardt. Wir haben bisher ein gut funktionierendes Stromnetz gehabt. Das ist ein Verdienst der Strombranche. Wir haben praktisch keine Pannen, wir haben eine hohe Reservehaltung, damit das alles ständig funktioniert, auch in Krisensituationen. Jetzt ändern wir ein Gesetz und organisieren den Mechanismus um, und am andern Tag kostet es 20% mehr.

Was die Aussage unseres verwirrten Herrn Nationalrats besonders unbedarft erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass sie doch im Kern die Lösung seines Rätsels enthält, ohne dass es ihm auffällt. Manchmal hilft es daher, jemanden mit seinen eigenen Aussagen zu konfrontieren, evtl. mit einer diskreten Unterstützung durch das typographische Element der Hervorhebung. Und mit einem leichten Schlag auf den Hinterkopf:

Ist doch eigenartig, Herr Schweickardt. Wir haben bisher ein gut funktionierendes Stromnetz gehabt. Das ist ein Verdienst der Strombranche. Wir haben praktisch keine Pannen, wir haben eine hohe Reservehaltung, damit das alles ständig funktioniert, auch in Krisensituationen. Jetzt ändern wir ein Gesetz und organisieren den Mechanismus um, und am andern Tag kostet es 20% mehr.

Besser? Na also, geht doch! Vielleicht hätte man ein "gut funktionierendes Stromnetz" eben doch besser in Ruhe gelassen, statt ohne jeglichen Grund ein Gesetz zu ändern und den Mechanismus umzuorganisieren! Wie Sie ja selber sagen, Herr Nationalrat Theiler (aber leider offenbar ohne dass Sie es merken): Ihre eigene Liberalisierung des Stommarktes ist der Grund und die Ursache der Strompreis-Explosion.

Wenn Ihnen also wirklich etwas daran läge, die Bürger und die Strom verbrauchende Wirtschaft von diesen unnötigen Zusatzkosten zu befreien, dann würden Sie sich dafür einsetzen, das komplett gescheiterte Experiment der Liberalisierung abzubrechen und das "gut funktionierende Stromnetz", das "ständig funktioniert, auch in Krisensituationen" wiederherzustellen.