Montag, Dezember 08, 2008

Das Ende der Freisinnigen Partei der Schweiz

Ein kürzliches Ereignis, das erstaunlich wenig Echo in der Presse gefunden hat (sodass ich hier leider keinen link anführen kann), ist die vor ein paar Wochen erfolgte Auflösung der Freisinnig Demokratischen Partei der Schweiz (FDP).

Nachdem die Globale Finanzkrise das Fundament ihres Parteiprogramms - "Deregulierung" - zertrümmert hatte, nachdem die angekündigte Explosion der Tarife im liberalisierten Strommärcht ihre wahren Ziele aus dem Dunkel ihres Parteiklüngels an das Licht des Tages gezerrt hatte: mit Liberalisierungen Reiche auf Kosten des Mittelstandes noch reicher zu machen, und nachdem schliesslich ihr Leitspruch "Mehr Freiheit - Weniger Staat" im Zuge des durch das Befolgen ihrer Ideologie notwendig gewordenen Rettungspakets des Bundes von 68 Milliarden Franken an die UBS nur noch als Einschrift auf dem Grabstein ihrer Ideologie taugen kann, blieb der Partei, die einst den modernen Staat gegründet hatte und danach zur kleinlichen Krämer- und Wuchererpartei mutiert war, nur noch die Auflösung. Good riddance!

Natürlich gibt es wie in jeder anderen Bewegung auch in der ehemaligen FDP einzelne Starrköpfe, neo-liberale Stalinisten, die es fertigbringen, den Totalen Kollaps ihrer Ideologie abzuleugnen oder gar nachträglich in einen Sieg umzulügen. Diese Kreise haben denn auch sofort eine neue Partei gegründet und, da nach der Auflösung der FDP deren Name freigeworden ist, sich nun ihrerseits "FDP - Die Liberalen" genannt. Und wie der Quacksalber, dank dessen Medizin der Patient eben jämmerlich verreckt ist, hinterher behauptet, man hätte eben nur noch mehr von der Medizin verabreichen müssen, so gibt es auch in der neuen FDP sowie ihren Befehlsgebern und Couvertli-Zusteckern der Wirtschaft, repräsentiert durch die Eggovönir Suisse, solche, die jetzt sagen, man müsse mit der Reform der Wirtschaft - Liberalisierung und Deregulierung - unbeirrt weiterfahren!

Man solle sich durch diese Ewiggestrigen jedoch nicht von der Tatsache ablenken lassen, dass die neo-liberale Deregulierungs- und Liberalisierungs-Ideologie bankrott ist. Wer würde nach einem Flächenbrand noch auf jemanden hören, der sagt, man müsse den Verkauf von Brandmitteln "liberalisieren" und Brandschutz-Vorschriften "deregulieren"?

...und hier noch ein Postskriptum: Nach den oben genannten neo-liberalen Desastern, wie der Strommarkt-Liberalisierung oder der Globalen Finanzkrise, böte sich der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz eine einmalige Gelegenkeit, aus der Situation Kapital zu schlagen und mit innovativen, populistischen Ideen breite Kreise des Wahlvolkes auf ihre Seite zu ziehen. Ein liberalisierungsmüdes Publikum hat die Nase voll von überrissenen Boni, von angedrohten Strompreiserhöhungen und all den Rezessionswarnungen, die sich am Horizont wie ein Sturm zusammenziehen, nur weil man auf der neo-liberale Ideologie nicht rechtzeitig Einhalt geboten hatte. Nur allzugerne sind auch prominente Sozialdemokraten nach dem Mauerfall 1989 auf den Zug der Freien Märchtwirtschaft aufgesprungen und haben seine Wohltaten gepriesen. Es wäre jetzt höchste Zeit, sich von diesem Wahn zu trennen und sich wieder auf die Seite des Volkes zu stellen, das rechtpopulistische Kreise schon viel zu lange für sich monopolisiert hatten. Es wäre dumm, diese einmalige Chance jetzt zu verpassen. Sonst folgt dieser Kolumne schon bald eine mit dem Titel: Das Ende der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz

Mittwoch, November 05, 2008

Montag, Oktober 27, 2008

Dummheit in Vier Worten

Ich war gerade dabei, eine Grabesrede zum totalen Bankrott der neo-liberalen Ideologie zu schreiben, als ich auf den Beitrag The End of Libertarianism - The financial collapse proves that its ideology makes no sense - von Jacob Weisberg in Slate gestossen bin. Er beginnt den Artikel mit den Worten:

A source of mild entertainment amid the financial carnage has been watching libertarians scurrying to explain how the global financial crisis is the result of too much government intervention rather than too little.

Dasselbe dachte ich, als ich den Club vom 21. Oktober 2008 auf SF1 gesehen habe. Es war geradezu peinlich, wie Gerold Bührer, Präsident von Eggonomiesuisse und Thomas Held, Direktor von Avönir Suisse, versuchten, die Finanzkrise schön zu reden und die Zuschauer davon zu überzeugen, dass ihre Ideologie von Liberalisierung und Deregulierung keinen Anteil an der Finanzkrise hatte.

Utopians of the right, libertarians are (...) convinced that their ideas have yet to be tried, and that they would work beautifully if we could only just have a do-over of human history. Like all true ideologues, they find a way to interpret mounting evidence of error as proof that they were right all along.

Amüsant aber irgendwie kaum überraschend war daher, dass im Lärm, der den Kollaps des internationalen Finanzsystems im Zuge der Finanzkrise begleitete, eine Stimme verdächtig still war: diejenige der Freisinnigen Partei der Schweiz. Wer die Webseite der Partei besucht, findet in den Medienmitteilungen als ersten und bisher einizgen Beitrag seit die Krise die Welt und nun auch die Schweiz erschüttert hat, eine Mitteilung vom 16. Oktober.

Eine Partei, deren Programm ausschliesslich aus Marktwirtschaft, Deregulierung und Liberalisierung besteht, darf nun dieselbe bittere Medizin schlucken, die sie voller Häme jenen verabreicht hatte, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht bedingungslos vor der neo-liberalen Logik des selbst-regulierenden "freien Märchts" kapitulierten. Vor diesem Hintergrund wirkt es daher eher armselig als bloss dumm, wenn ein freisinniger Parlamentarier nach den ersten Anzeichen der Finanzkrise in die laufende Kamera sagt, das falscheste, was man jetzt tun könne, seien neue Regulierungen einzuführen.

Und die freisinnige Parole "mehr Freiheit - weniger Staat" dürfte nach den Abermilliarden von Franken, die der Staat als Rettungsring der sinkenden UBS nachwerfen musste, wohl als die peinlichste Dummheit in nur Vier Worten in einhundertsechzig Jahren moderner Schweizer Politik gelten und damit den Todesstoss der schon immer eher un- statt freisinnigen Ideologie bedeuten.

Montag, Oktober 20, 2008

Der Meinungs-Flash: Top Saläre für Top-Manager

Die Argumentation geht folgendermassen: Wer gerade jetzt in der Finanzkrise Top-Leute in der Führungsspitze der Unternehmen haben will, muss bereit sein, dafür Top-Saläre zu zahlen. Daher ist eine Beschränkung der Saläre und Boni für Top-Manager ein Fehler (etwa in folgendem Beitrag der Tagesschau auf SF1 vom 20. Oktober 2008, 1 min 57 sek nach Beginn).

Gut. Darf ich die warnenden Wirtschaftsleute, die diese Meinung vorbringen, in aller Höflichkeit daran erinnern, dass die sogenannten Top-Manager mit ihren Top-Salären exakt dieselben Idioten sind, die die Finanzkrise überhaupt erst verursacht haben? Wenn das wirklich die Besten der Besten sind, möchte ich gar nicht erst wissen, wie die zweite Garde aussieht.

Samstag, Oktober 04, 2008

Leichte Schläge auf den Hinterkopf...

...erhöhen die Denkfähigkeit. Dies pflegte einer meiner ehemaligen Kollegen an der ETH zu sagen, wenn jemand sich durch eine besonders "lange Leitung" hervorgetan hat. Vielleicht würde dieselbe Therapie dem Luzerner FDP-Nationalrat Georges Theiler auf die Sprünge helfen, wenn er im Hinblick auf die explodierenden Stromtarife im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes folgendes Konundrum kontempliert (Arena vom 3. Oktober 2008, SF1, 18 min 15 sek nach Beginn):

Ist doch eigenartig, Herr Schweickardt. Wir haben bisher ein gut funktionierendes Stromnetz gehabt. Das ist ein Verdienst der Strombranche. Wir haben praktisch keine Pannen, wir haben eine hohe Reservehaltung, damit das alles ständig funktioniert, auch in Krisensituationen. Jetzt ändern wir ein Gesetz und organisieren den Mechanismus um, und am andern Tag kostet es 20% mehr.

Was die Aussage unseres verwirrten Herrn Nationalrats besonders unbedarft erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass sie doch im Kern die Lösung seines Rätsels enthält, ohne dass es ihm auffällt. Manchmal hilft es daher, jemanden mit seinen eigenen Aussagen zu konfrontieren, evtl. mit einer diskreten Unterstützung durch das typographische Element der Hervorhebung. Und mit einem leichten Schlag auf den Hinterkopf:

Ist doch eigenartig, Herr Schweickardt. Wir haben bisher ein gut funktionierendes Stromnetz gehabt. Das ist ein Verdienst der Strombranche. Wir haben praktisch keine Pannen, wir haben eine hohe Reservehaltung, damit das alles ständig funktioniert, auch in Krisensituationen. Jetzt ändern wir ein Gesetz und organisieren den Mechanismus um, und am andern Tag kostet es 20% mehr.

Besser? Na also, geht doch! Vielleicht hätte man ein "gut funktionierendes Stromnetz" eben doch besser in Ruhe gelassen, statt ohne jeglichen Grund ein Gesetz zu ändern und den Mechanismus umzuorganisieren! Wie Sie ja selber sagen, Herr Nationalrat Theiler (aber leider offenbar ohne dass Sie es merken): Ihre eigene Liberalisierung des Stommarktes ist der Grund und die Ursache der Strompreis-Explosion.

Wenn Ihnen also wirklich etwas daran läge, die Bürger und die Strom verbrauchende Wirtschaft von diesen unnötigen Zusatzkosten zu befreien, dann würden Sie sich dafür einsetzen, das komplett gescheiterte Experiment der Liberalisierung abzubrechen und das "gut funktionierende Stromnetz", das "ständig funktioniert, auch in Krisensituationen" wiederherzustellen.

Samstag, September 27, 2008

Warum bekommen Reiche Steuergeschenke?

Um diese Frage zu beantworten, mag folgende Analogie dienen: Man stelle sich einen Reichen vor, der an einem Tisch vor einem vollen Teller sitzt und mit einem grossen Löffel voller Gier in sein grosses, nimmersattes Maul hineinschaufelt, was immer nur hineingeht. Und während er schaufelt und schaufelt, fällt ihm ab und zu etwas aus dem Mund, oder vom Löffel, oder vom Teller, und fällt auf den Boden, wo der Mittelstand zu seinen Füssen sitzt und isst, was auf diese Weise herunterrieselt.

Aus verschiedenen Gründen (unter anderem auch, gerade weil man den Reichen Steuergeschenke macht und der Mittelstand daher einen grösseren Anteil an der Steuerlast zu tragen hat), leidet und darbt und hungert der Mittelstand zu Füssen des Reichen. Um dem Mittelstand zu helfen, sind gescheite Leute auf folgende Idee gekommen: Man könnte doch dem Reichen noch mehr zu essen auf seinen schon übervollen Teller beigen! Denn dann, so räsonnieren sie, könnte der Reiche noch gieriger das Essen in sich hineinschaufeln, und weil er dann mehr als vorher in sich hineinstopft, fällt ihm dann natürlich auch mehr aus seinem Mund! Oder vom Löffel! Oder vom Teller! Und so landet dann auch mehr auf dem Boden, und der Mittelstand hat dadurch auch mehr zu essen! Wenn man den Reichen gibt, geht es daher allen besser!

Obwohl diese Idee offenbar vielen Leuten einleuchtet und sie dazu bringt, entsprechende Parteien zu wählen, möchte ich hier zwei kleine Einwände anbringen: Erstens scheint sie nicht zu funktionieren. Es hat sich gezeigt, dass unter dieser angebotsorientierten Wirtschaftspolitik (sogenannte "supply-side" oder eben "trickle-down" economics) der Mittelstand sowohl relativ (d.h. anteilsmässig am Gesamteinkommen) als auch absolut (d.h. in Franken und Rappen) gegenüber den Reichen stagniert oder sogar verliert. Mit andern Worten, Reiche werden zwar reicher, je mehr man ihnen gibt, aber der Mittelstand gewinnt dabei nichts oder verliert sogar. Zweitens, wenn es wirklich darum ginge, den Mittelstand zu fördern, warum stellt man dann nicht einfach für den Mittelstand weitere Teller auf den Tisch, statt alles dem Reichen auf den Teller zu beigen und zu hoffen, dass dann vielleicht genug davon auf den Boden rieselt?

Montag, September 22, 2008

Weshalb wird der Strommarkt liberalisiert?

In allen nationalen Wirtschaftsräumen gibt es grosse Bereiche mit beträchtlichen Geldströmen, von denen das auf Verwertung bedachte Kapital ausgeschlossen ist. Es handelt sich dabei um die öffentlichen Dienste wie Versorger (Wasser, Strom), das Verkehrswesen (Post, Bahnen, Strassen), das Schulwesen usw., die zum Teil als natürliche Monopole keinen Wettbewerb ermöglichen, z.B. weil die Infrastrukturkosten im Vergleich zum gehandelten Gut zu hoch sind. Ein echter Strom-"Markt" würde es nämlich nötig machen, dass alle Anbieter ihre eigenen Netzwerke vom Kraftwerk bis hin zur Steckdose aufbauen.

Bei all diesen Diensten fallen Gebühren an, die von den Konsumenten an die (meist staatlichen) Betreiber bezahlt werden. Für die herrschenden Klassen und jene, die ihnen aus irgendwelchen Gründen zudienen, ist es aber unerträglich, dass von all diesen Gebühren nichts in den Taschen der Reichen landet. Daher lobbyieren sie auf internationaler (WTO, GATS) wie auf nationaler Ebene für die Liberalisierung und Privatisierung dieser Dienste, um sie der wirtschaftlichen Verwertung durch das Kapital zuzuführen.

Obwohl behauptet wird, dass privatisierte Dienste effizienter operieren, steigen die Tarife meistens, wenn öffentliche Dienste dereguliert, liberalisiert und privatisiert werden, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Zusatzkosten
    Liberalisierte Dienste und Versorger müssen teure Kosten verrechnen, die bei einem Staatsbetrieb nicht anfallen. Es sind dies Kosten für Werbung, Dividenden für Aktionäre, Exekutivgehälter (2 Mio plus Bonus), sowie Administrativkosten. Diese erheblichen Zusatzkosten werden natürlich nicht von der FDP oder der SVP übernommen, die die Liberalisierung trotz Volks-Nein durchgestiert haben, sondern müssen von den Kunden mit den Stromgebühren bezahlt werden.
  • Markt- statt Kostenpreise
    Oeffentliche Dienste können ihre Diensleistungen und Produkte (Wasser, Strom, ...) zu Kostenpreisen anbieten, da sie keinen Profit erwirtschaften müssen. Im liberalisierten Markt müssen die Stromkunden in der Schweiz denselben meist höheren Marktpreis bezahlen, den die privatisierten Dienste im Ausland erzielen würden.
  • Spekulation
    Wenn Strom zu einer Handelsware verkommt, ist es lukrativer, mit Strom zu handeln statt ihn zu produzieren (vgl. Enron in den USA). Durch künstlich herbeigeführte Verknappungen lässt sich der Preis pro kW/h in profitabel die Höhe treiben. Dies geschah in Kalifornien, USA, als der Strommarkt liberalisiert wurde. Stromausfälle (blackouts) und explodierende Strompreise waren die Folge.

Die liberalisierten Stromversorger haben denn bereits zugegeben, dass sich die Stromtarife in den nächsten 5 Jahren verdoppeln werden (Tages Anzeiger). Für die Kunden ergeben sich durch die Liberalisierung keine Vorteile, sondern lediglich höhere Kosten und die Gewissheit, dass die Reichen noch reicher werden, während der Mittelstand weiter ausgepresst wird.

Wenn die Sicherheit unserer Stromversorgung nicht den Ospels und Lehman Brothers dieser Welt überlassen werden soll, muss jetzt gehandelt werden. Die Liberalisierung des Strommarktes ist rückgängig zu machen, und weitere Liberalisierungen (Post, Wasser, Schulwesen usw.) müssen für alle Zeit gestoppt werden.