Um diese Frage zu beantworten, mag folgende Analogie dienen: Man stelle sich einen Reichen vor, der an einem Tisch vor einem vollen Teller sitzt und mit einem grossen Löffel voller Gier in sein grosses, nimmersattes Maul hineinschaufelt, was immer nur hineingeht. Und während er schaufelt und schaufelt, fällt ihm ab und zu etwas aus dem Mund, oder vom Löffel, oder vom Teller, und fällt auf den Boden, wo der Mittelstand zu seinen Füssen sitzt und isst, was auf diese Weise herunterrieselt.
Aus verschiedenen Gründen (unter anderem auch, gerade weil man den Reichen Steuergeschenke macht und der Mittelstand daher einen grösseren Anteil an der Steuerlast zu tragen hat), leidet und darbt und hungert der Mittelstand zu Füssen des Reichen. Um dem Mittelstand zu helfen, sind gescheite Leute auf folgende Idee gekommen: Man könnte doch dem Reichen noch mehr zu essen auf seinen schon übervollen Teller beigen! Denn dann, so räsonnieren sie, könnte der Reiche noch gieriger das Essen in sich hineinschaufeln, und weil er dann mehr als vorher in sich hineinstopft, fällt ihm dann natürlich auch mehr aus seinem Mund! Oder vom Löffel! Oder vom Teller! Und so landet dann auch mehr auf dem Boden, und der Mittelstand hat dadurch auch mehr zu essen! Wenn man den Reichen gibt, geht es daher allen besser!
Obwohl diese Idee offenbar vielen Leuten einleuchtet und sie dazu bringt, entsprechende Parteien zu wählen, möchte ich hier zwei kleine Einwände anbringen: Erstens scheint sie nicht zu funktionieren. Es hat sich gezeigt, dass unter dieser angebotsorientierten Wirtschaftspolitik (sogenannte "supply-side" oder eben "trickle-down" economics) der Mittelstand sowohl relativ (d.h. anteilsmässig am Gesamteinkommen) als auch absolut (d.h. in Franken und Rappen) gegenüber den Reichen stagniert oder sogar verliert. Mit andern Worten, Reiche werden zwar reicher, je mehr man ihnen gibt, aber der Mittelstand gewinnt dabei nichts oder verliert sogar. Zweitens, wenn es wirklich darum ginge, den Mittelstand zu fördern, warum stellt man dann nicht einfach für den Mittelstand weitere Teller auf den Tisch, statt alles dem Reichen auf den Teller zu beigen und zu hoffen, dass dann vielleicht genug davon auf den Boden rieselt?
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